28mm, 50mm und 100mm gegen 28-105mm

28-105mm gegen 28mm, 50mm und 100mm

Irgendwann hatte ich mal ein altes AF-D Objektiv in die Hand bekommen: das Nikon AF Nikkor 28-105mm F3,5-4,5 D. Ich habe es an meiner D700 ausprobiert und war überhaupt nicht zufrieden.
Ich hatte es auf einer kleinen Reise nach Sachsen im Frühjahr 2011 dabei und konnte es eine Woche testen.

Das Problem war, dass ich zu diesem Zeitpunkt meine D700 noch ganz neu hatte und mich auf diese Kombination erst einstellen musste. Vieles war neu und ich hatte diesem Schmuckstück von Objektiv einfach zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Das hole ich jetzt nach.

Nach der ersten Berührung mit dem 28-105mm habe ich diverse Objektive ausprobiert, unter anderem das schwere lichtstarke Tokina 28-70mm F2,8 und bin schließlich bei 3 Festbrennweiten gelandet.

Ich verwendete lange ein 28mm F2,8 und ein 50mm F1,8, sowie gelegentlich das 100mm F2,8. Damit deckt man alles ab und bin hinsichtlich der optischen Qualität mehr als zufrieden. Und dann kommt da noch so ein schönes Fotografenmotto daher: „Fixed lenses take better pictures.“ Das ist ein Spruch, den viele Fotografen predigen, Ken Rockwell hat diesem Motto einen ganzen Artikel gewidmet. Auch ich vertrete diese Meinung. Das hat jedoch in erster Linie keine technischen Gründe, denn moderne Zoomobjektive sind von wirklich hervorragender Qualität und die kamerainterne Software kann optische Fehler, wie Verzeichnungen und Vignettierung inzwischen ausreichend gut korrigieren.

Und jetzt nach einem Jahr, bekomme ich das 28-105 wieder in die Finger und stelle fest – optisch kann es den Kampf mit den Festbrennweiten durchaus aufnehmen. Es wird ihn nicht immer gewinnen – besonders in den Spezialdisziplinen einiger der Objektive – das kann und das soll es nicht. Es ist ein praktischer Allrounder, den man beispielsweise auf eine Reise als einziges Objektiv mitnehmen kann. Und man wird nur sehr selten in eine Situation kommen, bei der man gern ein anderes Objektiv dabei hätte.

Also dann lassen wir doch das 28-105 mal gegen seine drei Kontrahenten antreten und sehen wir, wie es sich schlägt. Kann das 28-105 seine drei Gegner in ihn ihrem Bereich wenigstens teilweise ersetzen?

Der Herausforderer: Nikon AF Nikkor 28-105mm F3,5-4,5 D

Und das ist in diesem Vergleichstest der Herausforderer aus der Fraktion der Zoomobjektive. Das kompakte Zoomobjektiv mit Brennweite von 28 bis 105mm, das bis vor 6 Jahren noch produziert wurde.

Nikon AF Nikkor 28-105mm f/3.5-4.5 D IF
Nikon AF Nikkor 28-105mm f/3.5-4.5 D IF

Hier die wichtigsten technischen Daten des Nikon AF Nikkor 28-105mm f/3.5-4.5 D IF im Überblick:

Länge: 80mm (+Bajonett)
Filterdurchmesser: 62mm
Gewicht: 451g
AF-Motor: nein
Autofocus: ja
Blendenring: ja
Blendenöffnung: 9 Lamellen, größte Öffnung f3,5, kleinste Öffnung F22
Größter Abbildungsmaßstab: 1:2


Der Gegner im Weitwinkel: Nikon AI Nikkor 28mm F2,8

Der Gegner im Weitwinkelbereich fürs Vollformat ist Nikons manuelles 28mm. Es ist eines der schärfsten 28mm Objektive für Nikon-Kameras, besticht durch herausragende Verarbeitung und optisch durch geringe Verzeichnung und Vignettierung.

Nikon AI Nikkor 28mm f/2.8
Nikon AI Nikkor 28mm f/2.8

Die wichtigsten technischen Daten des Nikon AI 28mm f/2.8 im Überblick

Länge: 45mm (+Bajonett)
Filterdurchmesser: 52mm
Gewicht: 241g
AF-Motor: nein
Autofocous: nein
Blendenring: ja
Blendenöffnung: 7 Lamellen, größte Öffnung f2,8, kleinste Öffnung F22


Der Gegner in der klassischen Normalbrennweite: Nikon AF-S Nikkor 50mm F1,8G

Nikons neues 50mm Objektiv ist die Standardbrennweite für das Vollformat und ein wunderbares leichtes Tele am DX. Es ist extrem scharf, sehr leicht und funktioniert dank integriertem AF Motor auch an Nikons Einsteigermodellen.

Nikon AF-S Nikkor 50mm f/1.8 G SE
Nikon AF-S Nikkor 50mm f/1.8 G SE

Hier die wichtigsten technischen Daten des Nikon AF-S Nikkor 50mm f/1.8 G im Überblick

Länge: 53mm (+Bajonett)
Filterdurchmesser: 58mm
Gewicht: 184g
AF-Motor: ja
Autofocus: ja
Blendenring: nein
Blendenöffnung: 7 Gerundete Lamellen, größte Öffnung f1,8, kleinste Öffnung F16


Der Gegner im Makro und Telebereich: Tokina AT-X PRO D MACRO 100mm F2,8

Das Tokina 100mm ist eine Makro- und Portraitlinse, die rasiermesserscharf ist, eine exzellente Makrofähigkeit besitzt und bei Portraits ein traumhaftes Bokeh liefert. Und das zu einem sagenhaft günstigen Preis.

Tokina AT-X Pro D 100 Macro
Tokina AT-X Pro D 100 Macro

Auch für das Tokina hier die wichtigsten technischen Daten im Überblick

Länge: 95mm (+Bajonett)
Filterdurchmesser: 55mm
Gewicht: 514g
AF-Motor: nein
Autofocus: ja
Blendenring: nein
Blendenöffnung: 9 Lamellen, größte Öffnung f2,8, kleinste Öffnung F32
Größter Abbildungsmaßstab: 1:1

Vergleich Zoom vs. Festbrennweiten

Vergleich der Gehäuse / Äußerlichkeiten

Ich beginne mit einem Vergleich der Gehäuse. Mit den 2 kurzen Festbrennweiten sind zwei sehr kompakte Kontrahenten im Spiel. Diese beiden Objektive passen in jede Fotoseitentasche, wiegen sehr wenig und sind äußerst robust. Der Brennweitenbereich, den beide abdecken, ist der am häufigsten genutzte. Hier kann das 28-105er aufgrund seiner etwas größeren Bauform nur bedingt mithalten, es ist jedoch für ein Zoomobjektiv mit einen so großen Brennweitenbereich sehr kompakt.


Vergleicht man zunächst diese bloßen Zahlen, ist das 28-105 etwa so schwer, wie das 28er und das 50er zusammen und etwa auch genauso groß wie beide Objektive zusammen. Das 100er Objektiv ist noch schwerer und größer, verfügt aber über die besten Macrofähigkeiten.

Das 28-105 ist ein AF-D Objektiv, wird also mit Autofocus nur an Kameras mit integriertem AF-Motor arbeiten – viele DX-Spiegelreflexkameras und die Nikon Z-Kameras mit FTZ-Adapter scheiden hier aus. Es verfügt über einen Blendenring, so dass es auch an alten Nikon-Kameras verwendet werden kann. Dieses Feature gibt es an den AF-S Objektiven von Nikon nicht mehr.

Die Verarbeitungsqualität ist nach meinem Empfinden beim Nikon AI Nikkor 28mm und beim Tokina 100mm am höchsten. Hier wurden (bis auf wenige Ausnahmen beim Tokina) fast nur Glas und Metall verwendet und gut verarbeitet. Das neue 50mm F1,8G ist made in China und aus Kunststoff, der jedoch hochwertiger wirkt, als noch der des Vorgängers 50mm F1,8D. Das 28-105 wirkt hier eindeutig am billigsten verarbeitet. Ob sich dieser Eindruck in Punkto Robustheit und Langlebigkeit bestätigt, kann ich aktuell nicht sagen

Vergleich Autofokus

Der Autofokus des 28mm AI ist nicht vorhanden, jedoch ist der manuelle Fokus die schiere Freude – leichtgängig aber nicht schwammig, sehr präzise, wesentlich besser als bei allen anderen Wettbewerbern in diesem Vergleich. Aber in diesem Punkt ging es um den Autofocus, da gibt es eindeutig nichts zu holen für das 28er.

Das Tokina 100mm und das 28-105mm haben keinen integrierten Autofokus-Motor, der Autofokus wird über den klassischen Stangenantrieb durch den Motor in der Kamera gesteuert. Das funktioniert bei beiden Linsen sehr gut, jedoch ist das 28-105 extrem schnell. Der Fokus sitzt sehr akkurat. Beim 28-105 kann zusätzlich noch der Fokusbereich für Nahaufnahmen in den Macro-Modus gesetzt werden. Das Tokina 100mm verfügt über einen Fokusbegrenzer, der wenn gewünscht per Drehknopf aktiviert werden kann. Desweiteren kann der Fokusring durch eine Zugbewegung den Autofokus deaktivieren, so dass man ohne die Finger vom Objektiv nehmen zu müssen auf manuelles Fokussieren umschalten kann. Das ist richtig praktisch.

Nikons neues 50er ist ein AF-S. Es verfügt also über einen integrierten Ultraschallmotor, der geräuschlos seine Arbeit verrichtet. Ein Geschwindigkeitsvorteil gegenüber dem AF-D kann ich jedoch nicht feststellen

Bildstabilisierung

Keines der Objektive hat einen Bildstabilisator.

Optischer Vergleich

Ich habe einen kleinen Vergleichstest gemacht. Dazu wurde die D700 auf ein Stativ montiert und vor meinem Balkontisch gestellt, auf dem eine Schale mit frisch gekeimtem Koriander steht. Die Kameraposition blieb während des gesamten Tests unverändert

28mm vs. 28-105mm

Vergleicht man die Weitwinkelperspektive von 28mm fallen bei der Verzeichnung deutliche Unterschiede auf und zwar zugunsten des Zooms! Mein hochgelobtes 28mm AI verzeichnet hier geringfügig stärker. Das AI ist von den Farben her etwas kühler, was an der Vergütung liegt. Die Kontrastwiedergabe der Festbrennweite empfinde ich als besser, auch die Auflösung der Details ist besser, das 28mm AI ist einen Tick schärfer aber der Unterschied ist nicht so groß, wie eigentlich erwartet. Im Weitwinkel schlägt sich das 28-105 zu meiner Überraschung sehr gut und es bringt den Pluspunkt des Autofokus mit.

50mm vs. 28-105mm

Im Normalbereich merkt man wieder die Unterschiede bei der Verzeichnung. Diese Wertung fällt ebenfalls zugunsten des Zooms aus. Ich weiß nicht, wie Nikon es geschafft hat, ein 50mm Objektiv zu konstruieren, was so stark verzeichnet, aber das kann das fast 20 Jahre alte Zoomobjektiv besser – eigentlich unfassbar.

Die Farb- und Kontrastwiedergabe ist jedoch beim 50mm deutlich besser, auch die Schärfe übertrifft das Zoomobjektiv deutlich, egal ob im Zentrum oder an den Bildrändern.

Das Beispielfoto mit 100% ist nicht ganz korrekt, der Fokuspunkt war nicht in beiden Fällen gleich.

100mm vs. 28-105mm

Im Makrobereich kann das 100er Tokina eigentlich seine Stärke ausspielen. Der bessere Vergrößerungsmaßstab und die höhere Schärfe sind auf jeden Fall Pluspunkte. Dennoch neigt es etwas zum Überbelichten und müsste ggf. ein paar Stops heruntergeblendet werden. Das 28-105 macht seine Sache auch im Tele erstaunlich gut. Verzeichnungen sind in diesem Bereich bei beiden Linsen kaum feststellbar.

Leider sind die Testfotos aufgrund des zwar gleichen Motivabstands zur Kamera, jedoch aufgrund der unterschiedlichen Objektivgrößen sowie einem deutlichen Fokus-Breathing, nicht für einen direkten Vergleich geeignet. Bei weiteren Tests hat mich jedoch die Makrofähigkeit des 28-105 sehr überrascht.

Man kann extrem nah an das Motiv herangehen, der Autofokus arbeitet in der Makro-Stellung noch sehr zuverlässig.

Das Bokeh des 28-105 im Weitwinkel ist nicht wirklich zum Freistellen des Motivs geeignet, hierfür muss die Brennweite vergrößert werden. Dann lassen sich aber durchaus schöne Portraits erzielen, wie auf diesem Foto.

Hier ein Foto aufgenommen mit dem Tokina 100mm bei F2,8. Das Bokeh ist klar von einer ganz anderen Qualität, jedoch sollten wir immer berücksichtigen, dass wir hier eigentlich Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber gut – Obst ist Obst

Alternativen zum 28-105

Bei der schier unübersichtlichen Auswahl an Objektiven möchte ich dennoch einige denkbare Alternativen zum 28-105 für Nikon Vollformatkameras ansprechen. Abgesehen von Nikons teuerstem und wohl auch besten Standardzoom, dem AF-S 24-70mm F2,8, das sich nicht jeder leisten kann und will, ist eine klare Alternative natürlich das 24-120 VR F4, ein Reisezoomobjektiv der neuesten Generation mit Bildstabilisator, hervorragenden Abbildungseigenschaften aber auch einem stattlichen Gewicht.

In einer ähnlichen Größen- und Gewichtsklasse spielt das Tokina 28-70mm F2,8 oder F2,6-2,8. Von dieser Linse gibt es verschiedene Ausführungen, die teilweise Abbildungsleistungen auf sehr hohem Niveau liefern. Für mich dennoch zu groß und zu schwer.

Es geht auch billiger: Nikon hat in den 90er und 2000er Jahren den Markt mit Billigzooms überschwemmt, die besser sind, als ihr Ruf. Das Plastikzoom AF-S 28-80mm F3,5-5,6 G liefert gute Bilder, nicht auf dem Niveau der Spitzenklasse, aber man bekommt es bei Onlineauktionen für unter 50€.

Das ist auf jeden Fall den Versuch wert. Besser noch ist der Vorgänger des 28-105mm: Das 28-70mm F3,5-4,5mm D ist relativ lichtstark und sehr kompakt. Es wiegt knapp 300g, ist Makrofähig, hat ein schönes Bokeh und es ist für unter 100€ gebraucht zu bekommen. Diese Linse ist momentan mein Reisezoom und ich bin mehr als begeistert

Fazit

Dieser Test ist nicht wirklich repräsentativ, denn ich bleibe technisch sehr oberflächlich und berichte nur aus meiner Erfahrung mit dem Equipment. Ich habe versucht anhand einiger Beispiele zu illustrieren, welche Schätze für unsere Nikons noch auf irgendwelchen Auktionsplattformen oder noch besser in ein paar alten Truhen an alten Analogkameras aus den 90ern noch herumliegen könnten. Das 28-105 ist ein vielfach übersehenes und weit unterschätztes Allroundobjektiv, das zumindest auf den Ansprüchen einer Reise und nicht unter Laborbedingungen durchaus mit einer Festbrennweite des jeweiligen Brennweitenbereichs mithalten kann. Besonders hervorzuheben ist hierbei die wirklich geringe Verzeichnung dieser Linse. Hierauf scheint man bei Nikon inzwischen weniger Wert zu legen und stattdessen auf kamerainterne Korrekturmechanismen zu bauen. Das ist schade. Die Verarbeitungsqualität des Objektivs ist ordentlich, jedoch nicht auf dem Niveau der Festbrennweiten.

Wichtig: Wer große Lichtstärken benötigt oder sein Motiv gut vom Hintergrund freistellen möchte, wird auf Festbrennweiten oder lichtstarke Zooms ausweichen müssen.

Für einen Urlaub oder eine Reise mit kompaktem Gepäck ist das 28-105 eine Klare Empfehlung. Ich fotografiere dennoch lieber mit einer Festbrennweite, weil sie mich zwingt, mich zu bewegen und so an meiner Komposition zu arbeiten. Wenn ich es auch mit einem Zoom schaffe, diese Faulheit abzulegen, wäre dieses Zoomobjektiv vielleicht mein nächster Reisebegleiter.