In diesem Artikel möchte ich einen kleinen Erfahrungsbericht zum Carl Zeiss Jena Sonnar 4/300 in Verbindung mit der Nikon D700 machen. Es ist kein technisch tiefgehender Review sondern eher eine Erfahrungsschilderung dieser Kombination aus Vollformatkamera und Mittelformatobjektiv mit Bajonettadapter.
Manuelle Objektive
Als ich die ersten manuellen Objektive an meiner Nikon D700 ausprobiert habe, war ich über die Ergebnisse sehr überrascht und von der Qualität begeistert. Das waren bislang Nikon AI und AIS Nikkore, deren Verarbeitungsqualität in der Regel auf sehr hohem Niveau ist. Weitere Informationem dazu finden Sie im Artikel Manuelle Nikon-Objektive auf dieser Website.
Auf der Suche nach einem günstigen Teleobjektiv mit 300mm Brennweite, bin ich natürlich auf Nikons 300mm F4,5 gestoßen. Aber ich wurde auch auf einige Objektive anderer Hersteller für andere Kamerasysteme aufmerksam. Und so dachte ich, warum nicht mal was Neues probieren.
Pentacon Six
Das Pentacon Six – System ist ein Mittelformatkamerasystem aus der DDR. Die Pentacon Six wurde bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt und in der weiterentwickelten Variante Pentacon Six TL bis zum Beginn der neunziger Jahre verkauft. Mit dem Zusammenbruch der DDR war leider auch das Ende von Pentacon Dresden verbunden, dessen weltberühmte Produkte nicht mehr zu weltmarktfähigen Preisen verkauft werden konnte. Die Pentacon Six hat ein eigenes Bajonett, das P6 Klemmbajonett. Es ist kompatibel zu Kiew 60 und Exakta 66. Die Objektive für Pentacon Six wurden von Carl Zeiss Jena und Meyer / Pentacon Görlitz hergestellt. Besonders die früheren Exemplare haben den Ruf optisch hervorragende Objektive zu sein.
Carl Zeiss Jena Sonnar 4/300 an D700
Ich habe ein Carl Zeiss Jena Sonnar 4/300 für Pentacon Six günstig
ersteigern können. Es handelt sich um eine mehrschichtvergütete
Variante. Mittels eines Bajonettadapters lässt es sich problemlos an
eine Nikon montieren. Das größere Auflagemaß des P6 Bajonetts erlaubt
die Montage und Verwendung von Bajonettadaptern ohne Korrekturlinsen, so
dass die optischen Eigenschaften nicht beeinträchtigt werden. An der
D700 kann das Objektiv mit den Programmen M und A verwendet werden, wenn
im Menü die Daten für ein Objektiv ohne CPU eingegeben werden. Die
Belichtungsmessung funktioniert dann korrekt.
Mechanische Eigenschaften
Mit einen Gewicht von ca. 1,7kg gehört dieses Objektiv zu den Schwergewichten, die man nicht gern jeden Tag mit sich herumträgt. Verglichen mit Objektiven für 35mm Optiken ist auch der Durchmesser von über 10cm an der breitesten Stelle ist es auch nicht gerade kompakt, aber es ist eben eine Mittelformatoptik. Eine einzige Katastrophe ist die Stativschelle, die eine wirklich feste Sicherung nicht möglich macht und dadurch die möglichen Verschlusszeiten für wackelfreie Fotos deutlich verkürzt.
Es sind Blendeneinstellungen von 4 bis 45 möglich. Die Blenden rasten etwas weich ein. Der Zoomring ist angenehm weich, jedoch nicht unpräzise. Es lässt sich dadurch sehr gut und sicher der korrekte Fokuspunkt fixieren, wenn nicht die wackelige Stativschelle wäre. Freihand ist das Ganze schon etwas schwieriger, dank der Fokussierhilfe an der D700 jedoch nicht unmöglich.
Die Verarbeitungsqualität insgesamt macht einen guten, jedoch nicht hochwertigen Eindruck. Die meisten AIS Objektive machten für mich einen besseren Eindruck. Möglicherweise kann dies jedoch auch am Alter bzw. Gebrauch dieses Objektivs liegen. Dies kann ich nicht beurteilen, da ich die Vorgeschichte nicht kenne.
Optische Eigenschaften
Meine Erwartungen hinsichtlich der optischen Eigenschaften waren hoch, der Name Carl Zeiss hat ein gutes Image, das war wohl in meinem Kopf und hat zur Kaufentscheidung beigetragen. Jedoch ist der Name bei diesem Objektiv nicht Programm.
Der wichtigste Kaufgrund für mich waren 2 Faktoren: Bokeh und Schärfe. Das Bokeh ist wirklich das Beste an diesem Objektiv. Bei F4 oder F5,6 ist das Bokeh seidenweich und wirklich sehr harmonisch, wie auf dem Testfoto zu sehen. Dies ist die Brüstung meines Balkons, aufgenommen mit F4 aus einer Entfernung von etwa 5 Metern. Besonders im Nahbereich bis etwa 10 Meter lassen sich wirklich hervorragende Ergebnisse erzielen, bei denen das Motiv sehr gut vom Hintergrund freigestellt werden kann.
Neben dem Bokeh ist auch die Schärfe im Nahbereich wirklich gut und überzeugend. Problematisch wird es weiter Richtung Unendlich. Eine Fokussierung auf Unendlich war mit meinem Bajonettadapter Typ „electric“ nicht möglich. Hinsichtlich der Schärfe bei größeren Entfernungen muss ich bei meinem Exemplar leider feststellen, dass es etwas hinter meinen Erwartungen bleibt.
Ich habe leider den Vergleich zum Mittelformat nicht, jedoch weiß ich, dass dort mit weitaus kleineren Blenden fotografiert wird, als auf 35mm. Bei Offenblende ist die Schärfe bei 5,6 akzeptabel aber nicht überragend. Abgeblendet bis f/8 wird das Ganze deutlich besser, erfordert jedoch entsprechend kürzere Verschlusszeiten, wenn man ohne ein Stativ unterwegs ist. Wenn man von einem Stativ aus fotografiert, können auch längere Verschlusszeiten, jedoch nicht wirklich gute Langzeitbelichtungen gemacht werden, aufgrund der wackeligen Stativschelle. Hier wäre vielleicht ein Umbau mit einer vernünftigen Befestigung eine denkbare Möglichkeit.
Problematisch sind desweiteren die Farbsäume um Kanten, insbesondere bei hohem Kontrast oder Gegenlicht. In meinem Beispiel habe ich eine Taube fotografiert, hier sind die Farbsäume deutlich erkennbar. Zu bemerken ist, dass die D700 bereits Kameraintern Farbsäume reduziert.
Die Farb- und Kontrastwiedergabe ist an der D700 nur durchschnittlich,
ich stelle insgesamt einen leichten Gelbstich der Aufnahmen fest.
Ich weiß, dass dieses Objektiv besonders im Bereich Astronomiefotografie
gern verwendet wird. Über die Performance in diesem Feld kann ich
leider keine Aussage machen. Generell ist es optisch nicht schlecht,
gewinnt durch Abblenden deutlich an Schärfe, hat ein schönes Bokeh aber
haut mich irgendwie nicht vom Hocker.
Fazit
Mir ist bekannt, dass es bei den 300er Sonnaren erhebliche Produktions- bzw. Qualitätsschwankungen gibt. Möglicherweise ist das von mir getestete Exemplar eines der schwächeren. Das Bokeh ist einer der Gründe diese Linse zu verwenden, das ist einfach Traumhaft. Aber an einer Nikon DSLR lassen sich mit den kompakteren und leichteren AI und AIS Objektiven, wie dem 200mm F4 oder dem 300mm F4,5 bessere Ergebnisse bei geringerem Gewicht erzielen. Dies ist bei Objektiven des gleichen Herstellers und des gleichen Bajonetts sicher auch zu erwarten. Dennoch würde ich gern einmal das berühmte 180mm Sonnar testen, das in der Zebra-Ausführung (wegen der Streifen) zu den besten 180mm Objektiven überhaupt zählen soll. Wenn ich ein solches mal zu einem brauchbaren Preis in die Finger bekomme, werde ich in einem weiteren Artikel darüber berichten.