Manuelle Nikon-Objektive

Nikon AI Nikkor 28mm f/2.8

Es gibt sie auf Fotobörsen, im Internet, bei Freunden, als Erbstücke – wie auch immer. Alte manuell zu fokussierende Festbrennweiten – Klassiker der Fotografie. Manche sehen noch neu aus, manche sind gezeichnet von 30 Jahren im harten Fotoalltag. Wer schon seit 50 Jahren fotografiert, wird sagen – erzähl mir was Neues! – aber wer jetzt im Zeitalter der digitalen Spiegelreflexkameras die Fotografie für sich entdeckt, weiß oft gar nicht, welcher Schatz im Verborgenen ruht.

Denn Nikon macht doch nicht erst seit gestern Objektive. Es gibt eine schier unüberschaubare Anzahl an AI und AIS-Objektiven, die seit 1976 auf dem Markt sind. AIS-Objektive unterscheiden sich optisch von den AI-Varianten dadurch, dass der kleinste Blendenwert in Orange eingefärbt ist und an einer kleinen Vertiefung in der Bajonettauflagefläche.

Diese Objektive stammen aus einer Zeit, in der Autofocus gerade erst auf den Markt kam und noch in den Kinderschuhen steckte. Objektive wurden auch nicht in großen Fabriken in Thailand, Malaysia oder China als Massenware fabriziert sondern eher in Manufakturen in Japan, Deutschland oder anderen hochindustrialisierten Ländern mit entsprechenden Qualitätsstandards gefertigt. Und das sieht und spürt man. Jeder, der schon einmal den seidenweichen Lauf des Fokusrings eines Nikon AI bewegt hat, weiß wovon ich rede. Das Gehäuse ist in der Regel aus Metall gefertigt, die Linsen aus Glas.

Nikon FM2 mit AI-s Nikkor 24mm f/2.8 sowie AI-s Nikkor 35mm f/2.8 und AI Nikkor 28mm f/2.8
Nikon FM2 mit AI-s Nikkor 24mm f/2.8 sowie AI-s Nikkor 35mm f/2.8 und AI Nikkor 28mm f/2.8

Und heute sind diese Klassiker teilweise (noch) zu absoluten Schnäppchenpreisen erhältlich. Es empfiehlt sich vorher ein paar Reviews zu lesen, denn auch damals gab es Ausnahmen. Doch die meisten Festbrennweiten sind, abgesehen vom fehlenden Autofocus und den neuen Nanokristallvergütungen, absolut konkurrenzfähig.

An dieser Stelle möchte ich kurz darauf verweisen, dass es eigentlich irrsinnig ist, sich eine Kamera mit einem der modernsten und schnellsten AF-Systeme zu kaufen und dann MF-Objektive zu verwenden. Aber schon ein berühmter Kanzler sagte, dass entscheidend sei, was hinten rauskommt. Und das ist in diesem Fall mehr als überzeugend!

Mut zum Manuellen

Der Schritt weg von einem AF-Zoom hin zu einem MF-Festbrennweitenobjektiv ist kleiner, als Sie denken. Es ist der Schritt zurück zur richtigen Fotografie, denn Sie müssen sich mit Ihrem Motiv auseinandersetzen, vielleicht vor oder zurückgehen und den Schärfepunkt selbst bestimmen. Aber es wird Ihnen helfen bessere Fotos zu machen! Wenn Sie Besitzer einer D3, D3X, D3S, D700, D300, D300s, D200 oder D2 sind, dann können Sie diese Objektive fast uneingeschränkt verwenden. Es stehen Ihnen Zeitautomatik, Matrixmessung und manuelle Belichtung zur Verfügung. Mit den anderen Nikon-DSLRs können Sie nur die manuelle Belichtung verwenden (oder das Objektiv nachträglich mit einer Dandelion CPU nachrüsten).

Nachdem Sie das Objektiv an die Kamera montiert haben, sollten Sie, falls Ihre Kamera dies ermöglicht, die Daten des Objektivs ohne CPU im Menü eingeben. Dann gibt die Kamera auch korrekte Werte an und schreibt diese in die EXIFs.

An meiner D50 haben manuelle Objektive nicht wirklich Spaß gemacht, das gebe ich zu. Der Sucher war für die AF-Objektive in Ordnung, für ein MF-Objektiv war dieses Mäusekino definitiv zu klein. Mit der D700 ist das alles überhaupt kein Problem. Der Sucher ist sehr groß und hell, die Schärfehilfe zeigt mir im Sucher an, ob das Motiv am Fokuspunkt scharf gestellt ist.

Damit steht dem Einsatz an einer modernen Spiegelreflex nichts mehr im Wege außer vielleicht die eigene Unsicherheit. Und die verfliegt schneller, als sie denken.

Echte Schnäppchen

Jedes AI oder AIS-Objektiv passt an die Nikon-DSLRs. Mit Adaptern können diese Objektive auch an Canon-, SONY- oder FourThirds-Kameras verwendet werden.

Das Fokussieren ist sehr einfach und wesentlich feinfühliger und granularer als mit einem AF-Objektiv, das manuell fokussiert wird. Im Videobereich spielen diese Objektive jetzt ihre Stärken aus. Und die sind nicht nur der angenehme Fokussierring und die hohe Verarbeitungsqualität. Der Preis vieler MF-Objektive ist unschlagbar, wenn man die optischen Leistungen mit den vergleichbaren AF-Objektiven vergleicht.

Denn beispielsweise ein Nikon AI Nikkor 28mm F2,8 kann mit dem 1500€ teuren AF-S 24-70mm F2,8 bei 28mm absolut mithalten – jedoch für ein Fünftel des Preises. Je nach Zustand und Fertigungszahl können Sie ein gutes Objektiv auch für unter 100€ ergattern, wenn Sie Glück haben.

Machen Sie den ersten Schritt – fragen Sie bei Freunden oder Bekannten, vielleicht hat der eine oder andere noch so ein Schätzchen im Keller oder auf dem Dachboden und benutzt es nicht. Probieren Sie es aus – im Zeitalter der Digitalfotografie kostet das einzelne Foto ja nichts mehr. Nach ein wenig Übung werden Sie begeistert sein.

Und wenn Sie das alles schon wussten, vielleicht seit 20 oder 30 Jahren, dann hoffe ich, Sie sind froh, dass ich es auch endlich kapiert habe.